Zeit, Geduld und Bulli-Pädagogik
Zeitig aufstehen, rasch anziehen, frühstücken und ab in die Schule: Nicht jedem jungen Menschen fällt das leicht. Oft liegt das nicht an der Uhrzeit, sondern an persönlichen Problemen. Die FLEX Jugendhilfe gGmbH, ein Tochterunternehmen der Diakonischen Stiftung Ummeln, hat ein besonderes Angebot, um junge Mädchen zum Schulbesuch zu motivieren.
Ein Jahr war Hanna (Name geändert) nicht in der Schule. „Ich blieb zuhause und sagte, dass ich krank bin“, erzählt die 15-Jährige. Stress mit Lehrern, mobbende Mitschüler – Liegenbleiben war der bequemere Weg. Irgendwann sah sie ein, dass sie in einer Sackgasse steckte – und zog in eine Wohngruppe im Bielefelder Süden.
“Eine Mauer um mich herum gebildet”
Dort war Hanna zuerst ziemlich zurückgezogen. „Ich habe eine Mauer um mich herum gebildet“, erinnert sie sich. Und nun? „Wir haben sie genervt“, schmunzelt Teamleiterin Valea Schlüter. Persönliche Gespräche, gemeinsame Ausflüge – irgendwann bröckelte Hannas Mauer: „Bei mir selbst muss sich ja etwas ändern.“.
Das Team der Wohngruppe ging nun daran, die Mauer weiter abzutragen. Das Ziel: Tag strukturieren, Schulbesuch fördern, neu motivieren. “In der Regel haben die Mädchen sehr negative Erfahrungen gemacht”, berichtet Sozialpädagogin Ulrike Kürschner von Ärger, Mobbing, Traumata. Spätestens danach passt ein Mädchen nicht mehr in das Regelschulsystem. Und besucht oft monatelang keine Schule.
Ulrike Kürschner fährt schwere Werkzeuge auf, um die Mauern einzureißen: Zeit, Vertrauen, Geduld. Die frühere Schulsozialarbeiterin führt viele Gespräche, hilft beim Start in den Tag, hat ein offenes Ohr. Viele Gespräche führt Ulrike Kürschner unterwegs, wenn sie die Mädchen mit dem Kleinbus zur Schule und zurück bringt. „Bulli-Pädagogik“, lacht sie. Man spricht über den Alltag, gibt Tipps, bespricht Probleme. Und beobachtet, dass Druck und Ängste weniger werden, Vertrauen und Selbstvertrauen wachsen. „Die Mädchen sind froh, dass sie eine feste Ansprechpartnerin haben“, berichtet Valea Schlüter.
Enge Zusammenarbeit mit zwei Schulen
Auch die Schulen profitieren. Mit zweien arbeitet die Wohngruppe eng zusammen. Ulrike Kürschner ist für Lehrer und Schulsozialarbeiter erste Anlaufstelle. Sie bereitet Schulbesuche vor oder nach, begleitet die Mädchen bei Bedarf im Unterricht, regelt organisatorische Dinge. Und ist auch beim Elternabend oder Sprechtag dabei.
Der Aufwand lohnt sich. “Es läuft”, sagt Valea Schlüter, “wir haben Tage, an denen alle Mädchen in der Schule sind.” Das ist nicht selbstverständlich, sondern Ergebnis von – Zeit, Vertrauen und Geduld.
Hintergrund: Intensivwohngruppe Bielefeld
Sechs Mädchen und junge Frauen leben in der Intensivwohngruppe für Mädchen mit schulverweigernden Tendenzen”. Ein Team aus Sozialpädagogen und Erziehern betreut sie rund um die Uhr. In der Regel vermitteln Jugendämter die Bewohnerinnen an die Einrichtung. Betreiber ist die FLEX Jugendhilfe gGmbH, ein Tochterunternehmen der Diakonischen Stiftung Ummeln.
Mehr Infos zur Wohngruppe finden Sie hier.